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Dating-Portal muss Fake-Profile erwähnen

Landgericht Berlin, Urteil vom 27.01.2022, Az. 16 O 62/21


Dating-Portal muss Fake-Profile erwähnen

Das Landgericht Berlin entschied am 27.01.2022, dass ein Dating-Portal deutlich darauf hinweisen müsse, wenn es neben echten Nutzern auch Fake-Profile verwendet. Es reiche nicht aus, wenn die künstlich erzeugten Profile in den AGB erwähnt werden.

Wann sind Fake-Profile irreführend?
Kläger war die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv); Beklagte die Betreiberin einer Flirt- und Datingplattform. Interessierte mussten sich registrieren und ein Nutzerprofil anlegen. Auf der Startseite der Webseite war ein sich umarmendes Paar abgebildet. Zudem warb die Beklagte mit Slogans wie „Jetzt online neue Bekanntschaften schließen“, „Hohe Flirtchancen – Im Match-Game entscheidest du mit einer simplen Swipe, wen Du kennenlernen möchtest.“ Oder „Täglich neue Singles – bei uns registrieren sich täglich über 5000 neue Mitglieder, die auf der Suche nach ihrem Glück sind.“ Hinter den auszuwählenden Profilen steckten aber nicht nur reale Personen, sondern auch von der Beklagten erstellte und betriebene Profile. Dies war in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auch erwähnt. Auch beinhalteten die AGB, dass mit diesen „iNutzern“ keine realen Treffen möglich seien, sondern diese nur die Fantasie anregen sollen. Der Kläger mahnte die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte gab im Folgenden auch eine Unterlassungserklärung ab. Darin verpflichtete sie sich, nicht mehr den Eindruck von realen Profilen zu erwecken. Der Kläger war der Ansicht, die abgegebene Unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, da sie nicht hinreichend klar sei. Die Formulierung „den Eindruck zu erwecken“ sei ohne jegliche Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform und in seiner Reichweite unklar. Aufgrund dessen reichte er Klage ein.

Aufmachung lässt auf echte Interessierte schließen
Das Landgericht Berlin befand, dass es bei Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit auf das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers ankomme. Die Aufmachung der Plattform suggeriere, mit anderen Nutzern in Kontakt treten, andere Menschen kennenlernen, mit diesen flirten und diese treffen zu können. Damit könne darauf geschlossen werden, dass die Plattform für Menschen geeignet sei, die mit anderen eine nähere Beziehung eingehen wollen. Es könne nicht damit gerechnet werden, dass die Plattform auch „unechte“ Profile enthalte, die von der Beklagten erstellt und von Moderatoren bedient werden. Ein Treffen und ein Kennenlernen sei damit gar nicht möglich. Diese Erwartung werde auch durch die konkrete Aufmachung des Angebots verstärkt. So werde auf der Startseite ein sich umarmenden Paar abgebildet. Außerdem ergebe sich dies aus den werbenden Aussagen, die auf der Startseite eingestellt sind. Dort werbe die Beklagte damit, dass auf ihrer Plattform neue Bekanntschaften geschlossen und getroffen werden können.

AGB korrigieren Aufmachung nicht
Die Ansicht der Beklagten, den Nutzern gehe es auch um das Ausleben virtueller Fantasien, folgte das Gericht nicht. Denn nach der Aufmachung ihres Angebotes biete die Beklagte ein solches Angebot gerade nicht an. Der Verbraucher, der sich auf der Plattform anmeldet, erwarte daher keine solche Leistung. Dieses Verständnis werde auch nicht durch den Hinweis in den AGB korrigiert. Denn AGB werden vom Durchschnittsverbraucher in der Regel nicht gelesen. Zudem seien die AGB auch nicht der Ort, wo wesentliche Informationen zu den angebotenen Leistungen erwartet werden. Insbesondere müsse nicht damit gerechnet werden, dass dort Informationen präsentiert werden, welche im Widerspruch zur Erwartungshaltung stehen, die das Angebot gerade hervorruft.

Keine wirklich Interessierten
Das LG entschied, das Angebot sei irreführend. Dabei sei unerheblich, dass auch reale Nutzer registriert seien oder wie hoch der Anteil der iNutzer im Verhältnis zu den realen Nutzern ist. Wer sich dafür interessiere, andere Menschen näher kennenzulernen oder auf der Suche nach neuen Bekanntschaften ist, werde sich bei Kenntnis von möglichen gefakten Profilen gerade nicht anmelden. Es stecke dann kein echter „Interessierter“ an einem näheren Kennenlernen dahinter. Auch entspreche das Profil nicht den Angaben, wenn nur gegen Entgelt kommuniziert werde. Dies gelte insbesondere, wenn nicht erkennbar sei, bei welchem Profil es sich um einen iNutzer handelt. Das Wissen, dass ggf. umsonst Geld und Zeit in die Plattform investierte werde, sei geeignet, das Angebot gerade nicht wahrzunehmen. Unabhängig davon könne auch nicht von der Anzahl der iNutzer-Profile auf die Höhe der Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, auf ein solches Profil zu treffen. Denn dies hänge nicht allein von der reinen Anzahl der iNutzer-Profile ab, sondern vielmehr von deren Aktivität. Es müsse davon ausgegangen werden, dass iNutzer-Profile, die professionell von Moderatoren betrieben werden, wesentlich aktiver seien als echte Nutzer.

Erwähnung in AGB nicht ausreichend
Die Beklagte enthalte den Verbrauchern auch die erforderlichen Informationen vor. Denn diese seien nicht auf der Startseite, sondern lediglich in den AGB zu finden. Der Begriff des Vorenthaltens sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen Information gar nicht zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr erfasse es auch solche Informationen, die für den interessierten Personenkreis an unerwarteter Stelle platziert sind. Vorliegend werde kein durchschnittlich aufmerksamer, verständiger und informierter Verbraucher umfassend die AGB studieren. Auch wenn dies grundsätzlich vorstellbar sei, könne dies für den Durchschnittskunden nicht angenommen werden. Hinzu komme, dass der Verbraucher eben nicht mit wesentliche Informationen über den Inhalt der angebotenen Leistungen in den AGB rechnen müsse. Dies gelte insbesondere für Informationen, die zur objektiv hervorgerufenen Erwartungshaltung im Widerspruch stehen.

Unterlassungserklärung zu unbestimmt
Das LG war der Ansicht, dass die Wiederholungsgefahr nicht durch die abgegebene Unterlassungserklärung beseitigt sei. Denn aufgrund der Formulierung „gegenüber den Verbrauchern den Eindruck zu erwecken“ ohne Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform sei diese nicht hinreichend bestimmt. In der Unterlassungserklärung müsse die zu unterlassende Verletzungshandlung so genau wie möglich beschrieben werden. Es müsse erkennbar sein, welches Verhalten darunterfällt. Das könne zwar auch durch eine abstrakte Beschreibung des zu unterlassenden Verhaltens geschehen. Dann müsse aber erkennbar sein, welche Verletzungshandlungen darunterfallen. Dies sei bei der Formulierung „nicht den Eindruck zu erwecken“ nicht der Fall. Hier könne erst durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform eine hinreichende Bestimmtheit erreicht werden. Denn erst dadurch sei erkennbar, welche Gestaltung / Formulierungen den irreführenden Eindruck erwecken und welche (kerngleiche) Gestaltungen / Formulierungen unter das vereinbarte Verbot fallen könne.

Landgericht Berlin, Urteil vom 27.01.2022, Az. 16 O 62/21


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