• Anwaltskanzlei Weiß & Partner

    Katharinenstraße 16
    73728 Esslingen

    0711 - 88 241 006
    0711 - 88 241 009
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Werben mit Bio-Herstellung

LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 06.07.2022, Az. 3 O 10/22


Werben mit Bio-Herstellung

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat klargestellt, dass sich auch Online-Händler bei der Werbung für biologisch erzeugte Lebensmittel streng an EU-Öko-Verordnungsbestimmungen halten müssen und dabei stets der Code der zuständigen Öko-Kontrollstelle anzuführen ist. Außerdem greift die Ausnahme von der Grundpreisangabenpflicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 der Preisangabenverordnung (PAngV) nicht für Online-Shops.

Hintergrund
In dem Verfahren sind der Beklagten, die einen Online-Shop betreibt, zahlreiche Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorgeworfen worden. Sie vertrieb unter anderem einen biologisch produzierten Saft und pries ihre Ware allgemein mit der Ankündigung „beste Bio-Qualität“ an. Auf der Produktdetailseite des Saftes wurde auf die Bio-Eigenschaft allerdings nicht hingewiesen. Auch war auf der Detailseite die Codenummer der Kontrollstelle des Unternehmens, das die letzte Aufbereitungshandlung vorgenommen hatte, nicht angegeben. Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen Art. 32 Abs. 1 lit. a der EU-Öko-Verordnung, der über § 3a UWG zu verfolgen ist. Deshalb beantragte sie nach erfolgloser Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung.

Auch ist um die Pflicht zur Grundpreisangabe gestritten worden, wobei sich die
Beklagte auf die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 PAngV berief, nach der
diese Pflicht nicht für Waren gilt, die von kleinen Direktvermarktern sowie kleinen Einzelhandelsgeschäften angeboten werden, bei denen die Warenausgabe überwiegend im Wege der Bedienung erfolgt.

Erzeugnis muss jegliche Verordnungsbestimmungen einhalten
Der Einsatz von Bio-Schlagbegriffen und Siegeln sowie von Handelsmarken setzt voraus, dass das beworbene Erzeugnis, seine Bestandteile oder die Futtermittelausgangserzeugnisse den Vorschriften der EU-Öko-Verordnung konform sind. Das jeweilige Erzeugnis muss nach den Vorschriften der Verordnung die Kriterien für eine Bio-Zertifizierung tatsächlich einhalten. Insofern ist Händlern der Einsatz von Bio-Werbung im Anwendungsbereich der Verordnung immer dann untersagt, wenn das jeweils beworbene Erzeugnis im Widerspruch zu den speziellen Anbau-, Produktions- und Meldevorschriften gewonnen wurde und so ganz oder teilweise gegen den geltenden Unionrechtsakt verstößt. Ein Verstoß liegt bereits dann vor, wenn eine einzige Vorschrift im Herstellungs- oder Kennzeichnungsprozess nicht oder nur unzulänglich umgesetzt wurde. Als Konsequenz verliert das Erzeugnis seine Berechtigung, als biologisch/ökologisch bezeichnet zu werden, sodass auf jegliche diesbezügliche Werbung verzichtet werden muss.

Problem: Händler müssen sich auf Herstellerangaben verlassen
Werbende Händler müssen sich durch die Gleichstellung von Kennzeichnung und Werbung in Art. 30 Abs. 1 der EU-Öko-VO behandeln lassen wie die originär kennzeichnenden Erzeuger. Insofern müssen sie, obwohl sie Produkte am Ende der Marktkette lediglich vertreiben, implizit dafür bürgen, dass diese einen rechtskonformen Bio-Herstellungsprozess durchlaufen haben. Damit zwingt ihnen Art. 30 Abs. 1 eine Gewährübernahme dafür auf, dass sämtliche Verordnungsvorgaben hinsichtlich der angepriesenen biologisch kontrollierten Fertigung im Herstellungsprozess eingehalten wurden. Tatsächlich werden sich die meisten Händler auf die Richtigkeit der Herstellerangaben verlassen müssen, da sie selbst nicht prüfen können, ob sich die Bio-Hersteller an alle Verordnungsvorgaben gehalten haben. Deshalb ist die händlereigene Kontrollpflicht nach Art. 30 Abs. 1 auf ein zumutbares und mögliches Maß zu begrenzen und so auszulegen, dass Händler lediglich bei Zweifeln an der Verordnungsmäßigkeit bestimmter Produkte gehalten sind, die Bio-Werbung im Einzelfall auszusetzen und ihre Bedenken bei der zuständigen Kontrollstelle zu melden.

Öko-Kontrollnummer muss auch vom Händler genannt werden
Der Werbende ist nach Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 lit. a verpflichtet, die jeweils einschlägige Öko-Kontrollnummer auf dem Trägermaterial anzuführen, wenn er Bezeichnungen oder Logos verwendet, welche auf eine biologisch/ökologische Produktion hinweisen. Diese ermöglicht ein Nachvollziehen des Unternehmens, welches den letzten Aufbereitungs- oder Erzeugungsschritt vor der Marktbereitstellung vollzogen hat. Weil die Verordnung allerdings gerade nicht zwischen verschiedenen Vertriebsformen differenziert, ist die jeweilige Kontrollnummer auch im Online-Handel zwingend anzugeben. Der Verbraucher soll durch die Einsicht der Nummer in der Lage sein, die Herkunft der Produkte zu überprüfen. Dies ergibt sich bereits aus dem Transparenzgebot des Werberechts.

Grundpreisangabe-Ausnahmeregelung gilt nicht für Online-Shops
Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 3 PAngV entfällt die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei Waren, die von kleinen Direktvermarktern, insbesondere Hofläden, Winzerbetrieben oder Imkern sowie kleinen Einzelhandelsgeschäften, insbesondere Kiosken, mobilen Verkaufsstellen oder Ständen auf Märkten und Volksfesten, angeboten werden. Bei diesen muss die Warenausgabe überwiegend im Wege der Bedienung erfolgen. Ausgeschlossen sind Waren, bei denen das Sortiment im Rahmen eines Vertriebssystems bezogen wird.

Die Beklagte betreibt ihr kleines Unternehmen als Direktvermarkterin, indem sie die von ihr hergestellten Produkte in ihrem Werksverkauf oder auf Märkten in ihrem Verkaufswagen anbietet. Die Ware wird auch überwiegend im Wege der Bedienung verkauft. Der daneben betriebene Online-Shop macht dabei zwar nur einen Bruchteil des insgesamt erzielten bzw. erzielbaren Umsatzes aus. Der Wettbewerbsverstoß wurde vorliegend allerdings im Online-Shop, also im Internet-Angebot begangen, der nicht vom Ausnahmetatbestand erfasst ist. Damit konnte sich die Beklagte auch nicht auf die Ausnahme von der Grundpreisangabenpflicht des § 4 III 3 PAngV berufen.


LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 06.07.2022, Az. 3 O 10/22


Ihr Ansprechpartner

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.

E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu, Telefon: 004971188241006
Katharinenstraße 16, 73728, Esslingen, Baden-Württemberg, Deutschland