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Berichtigung einer nicht mehr zutreffenden Pressemeldung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2010, Az. I-15 U 79/10


Berichtigung einer nicht mehr zutreffenden Pressemeldung

Einen Interessenausgleich zwischen widerstreitenden Grundrechten hatte das OLG Düsseldorf vorzunehmen.  Es ging um ein Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Zweckentfremdung von Spendengeldern gegen eine gemeinnützige Hilfsorganisation geführt hatte. Dabei waren auch die Büroräume der Organisation durchsucht worden. Über den Sachverhalt hatte der Antragsgegner auf seiner Homepage berichtet. Nachdem das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts eingestellt worden war, hatte die Antragstellerin eine Änderung der Meldung bzw. die Entfernung von der Homepage verlangt. Der Antragsgegner hatte die Meldung daraufhin um einen Nachtrag ergänzt, in dem auf die Verfahrenseinstellung hingewiesen wurde. Später wurde der Beitrag von der Startseite auf eine Folgeseite verschoben, die alle zu dem Thema erschienenen Artikel in chronologischer Reihenfolge enthielt. Klickte man am Ende auf "mehr", öffnete sich der komplette Beitrag einschließlich Nachtrag. Die Antragstellerin fühlte sich dadurch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung.
 
Nach einer Niederlage in erster Instanz hatte sie vor dem OLG Düsseldorf Erfolg.
 
Das OLG hat ihr Persönlichkeitsrecht gegen die Presse- und Meinungsfreiheit des Antragsgegners abgewogen und dem Persönlichkeitsrecht Vorrang eingeräumt.
 
Die Berichterstattung über die strafrechtlichen Vorwürfe greife in rechtswidriger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das auch einer juristischen Person zustehe, ein. Sie berge das Risiko, dass es trotz der Unschuldsvermutung zu einer Vorverurteilung durch die Leser komme und bei potentiellen Spendern Bedenken geweckt würden. Irrelevant sei, dass es sich nicht um eine aktuelle und aktive Vermittlung von Informationen durch die herkömmlichen Medien handele, da auch das passive Bereithalten überholter Inhalte auf der Homepage, wo sie für interessierte Nutzer jederzeit abrufbar seien, in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts eingreife. Inhaltlich habe der Beitrag über Ermittlungen wegen Verdachts einer Zweckentfremdung von Spenden durch die Antragstellerin zutreffende Tatsachen enthalten. Wenn es um Straftaten gehe, komme dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu, so dass die Veröffentlichung durch den Antragsgegner ursprünglich rechtmäßig gewesen sei. Daran ändere auch die spätere Verfahrenseinstellung nichts, denn die Meldung sei dadurch ja nur überholt und nicht nachträglich unwahr geworden.
 
Das OLG hat sich in diesem Zusammenhang mit den Besonderheiten einer Berichterstattung im Internet auseinander gesetzt. Eine Pressemeldung beispielsweise nehme der Leser einmalig zur Kenntnis und speichere sie im Gedächtnis. Der Beitrag im Internet hingegen werde dauerhaft bereitgestellt und sei auch nach inhaltlicher Überholung als archivierte Meldung abrufbar. Trotzdem könne nach BGH-Rechtsprechung von Betreibern solcher Internetseiten nicht verlangt werden, von sich aus regelmäßig die Rechtmäßigkeit archivierter Beiträge zu überprüfen. Daher dürfe der Antragsgegner im Rahmen seiner Meinungsfreiheit die ursprünglich inhaltlich wahre und zulässige Altmeldung auch nach der Verfahrenseinstellung weiterhin zum Abruf bereithalten. Wegen der erheblichen Breitenwirkung der Meldung und ihrer Eignung zur Stigmatisierung der Antragstellerin müsse jedoch auch deren Persönlichkeitsrecht Rechnung getragen werden. Die Meldung über den Verdacht einer strafrechtlich relevanten Zweckentfremdung von Spenden betreffe sie als gemeinnützige Hilfsorganisation, die auf Spenden angewiesen sei, in ihrer Existenz. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens habe das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zwar noch gegenüber dem Persönlichkeitsschutz überwogen. Nach der Verfahrenseinstellung mangels Tatverdachts habe sich dies jedoch geändert. Die ursprüngliche Meldung (damals) laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sei zwar nach wie vor wahr, stelle den Sachverhalt jedoch unvollständig dar. Dass der archivierte Beitrag nicht mehr aktuell sei, könne der Internetnutzer zwar erkennen. Allerdings würde er den Inhalt in einem für die Antragstellerin deutlich positiveren Licht wahrnehmen, wenn ihm die zwischenzeitliche Verfahrenseinstellung bekannt wäre. In diesem Fall würde weniger stark in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin eingegriffen.
 
Das OLG fand eine Lösung, die sowohl der Presse- und Meinungsfreiheit als auch dem Persönlichkeitsrecht gerecht wurde: Der Antragsgegner durfte die Altmeldung weiterhin unverändert bereithalten, musste sie jedoch mit einem Zusatz versehen, aus dem sich die Beendigung des Ermittlungsverfahrens durch Einstellung ergab.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2010, Az. I-15 U 79/10


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